Silvie Steiner
SERGIUS PAUSER Eine Retrospektive in der Österreichischen Galerie Belvedere
Die theoretische Bewertung der österreichischen Kunstgeschichte setzte bislang zumeist zwei Schwerpunkte, die bis heute auch international die Identität der österreichischen Moderne prägten. So steht die Gruppe Klimt, Schiele und Kokoschka als individueller Beitrag zum Jugendstil und Expressionismus am Anfang, wobei hier anzumerken ist, daß Oskar Kokoschka erst in den siebziger Jahren durch die Initiative Bruno Kreiskys wieder die österreichische Staatsbürgerschaft annahm. Den zweiten Schwerpunkt bildet der Aufbruch einer jungen Avantgarde in den Nachkriegsjahren, um die Galerie nächst St. Stephan und den Wiener Art Club, sowie schließlich der Wiener Aktionismus, der international in den sechziger Jahren reüssierte. Die Kunstentwickung von 1910 bis 1950 aber war selten Gegenstand einer festgeschriebenen österreichischen Kunst des 20. Jahrhunderts, da sie sich vielfach einer linearen Entwicklung und damit einer Einordnung in geläufige und vergleichbare „-ismen“ verweigerte. Doch spätestens seit der Postmoderne der achtziger Jahre wurde dieses Geschichtsbild in Frage gestellt, wurden regionale Sonderentwicklungen wie jene der österreichischen Kunst der Zwischenkriegszeit relevant. Diese differenziertere Aufarbeitung in den letzten Jahren und deren Präsentation in Ausstellungen machte deutlich, daß diese Künstler innerhalb der internationalen Moderne durchaus bestehen können und einen wesentlichen Beitrag für die Kontinuität der österreichischen Kunstentwicklung von der Zwischenkriegszeit bis in die Gegenwart geleistet haben. Einer der bedeutendsten unter ihnen war Sergius Pauser, den die Österreichische Galerie Belvedere nun in einer Retrospektive würdigt. Mit ungefähr fünfzig Gemälden wird ein Überblick über die Ölmalerei des Künstlers gezeigt.
Der in Wien geborene Maler studierte an der Münchner Akademie bei den Professoren Becker-Gundhal, Herterich und Caspar. Wesentlich für sein weiteres Kunstschaffen waren ihm die Einführungen in die Maltechniken durch Max Dörner. Nach einem Aufenthalt in Waidhofen lebte er ab 1926 in Wien, wo er drei Monate an der Akademie der bildenden Künste bei Karl Sterrer studierte. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde Pauser Mitglied der Wiener Secession und nahm an zahlreichen nationalen und internationalen Ausstellungen teil. Pauser wurde früh als bedeutender Porträitist geschätzt. Seine Stilleben und Bildnisse dieser Zeit sind ein wesentlicher österreichischer Beitrag zur „Neuen Sachlichkeit“. Die Dinglichkeit und haptische Qualität der Gegenstände wird objektiviert und der Fläche untergeordnet. Symbolhaft für die Rückkehr zur Gegenständlichkeit wird die Präponderanz der Stillebenmalerei, die in radikalen Bildüberschneidungen und in der Auswahl der Bildmotive neue Wege geht. Die isolierende Modellierung und die klare Kontur durch den Kontrast von Licht und Schatten bewirkt eine stille Regungslosigkeit. Doch setzte Pauser sich von dogmatischen Ansprüchen durch die Sensibilität seiner tonigen Farbigkeit ab. Ende der zwanziger Jahre entstanden die Bilder „Donaudampfer“ (1929) und „Wurstelprater (1931), die bereits eine neue Bildsprache in einem freieren Pinselduktus formulierten. In den dreißiger Jahren fand Pauser Anschluß an den Expressionismus seiner Akademiezeit. Pauser war mehrmals auf der Biennale in Venedig vertreten und stellte seine Werke in Deutschland, der Schweiz und in den USA aus. Nach den Kriegsjahren wurde Pauser ordentlicher Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste, neben dem Thema der Landschaft wurden vor allem die Porträts und Städtebilder dominierend. Die Struktur und Dynamik in Pausers Bildern hat sich gegenüber dem Frühwerk deutlich verändert. Die Oberflächenstruktur und stoffliche Qualität der Ölfarbe wurde bestimmend und bedingte eine freiere Verwendung der malerischen Mittel; so ist die Handschrift der Bilder impulsiver, ausdrucksstark und eigengesetzlich. Vor allem seine Stadtlandschaften werden stets mit jenen Oskar Kokoschkas verglichen, doch ist diese These bei genauer Betrachtung von Pausers Spätwerk zu differenzieren. Sein Anschluß an eine expressionistische Richtung im Landschaftsbild wie auch im Porträt schließt die künstlerische Ausdrucksform der Epoche der Neuen Sachlichkeit mit ein. Es blieb die Ruhe und die Gemessenheit, eine gewisse Zurückhaltung auch mitten im temperamentvollsten Ausbruch der Farben. Diese tragen das Motiv gleich einer Melodie und vermitteln das stete Streben um die Wiedergabe feiner Stimmungen. Dazu kommt die souveräne Beherrschung seiner Techniken, die stets auch moderne Kunstentwicklungen, wie jene der Abstraktionen miteinbezieht. So sieht der Kunsthistoriker Erwin Mitsch seit den vierziger Jahren „tachistische Farbkleckse, (...) die ganz im Dienste der gegenständlichen Bildaussage stehen“. Pausers Ölbilder und Aquarelle sind von einem starken Sensualismus geprägt und beziehen Züge seines eigenen Wesens in die bildnerische Gestaltung ein. Thomas Bernhard schrieb über den Maler: „Von Sergius Pauser (...) hab ich Meditationen beispielsweise über Adalbert Stifter gehört, wie ich sie von niemandem gehört habe, er war ein Entdecker der verborgensten Empfindsamkeiten des Poetischen, ein liebevoll-wachsamer Rutengänger über der Landschaft der Weltliteratur, ein Philosoph und ein durch und durch künstlerischer Charakter“.
Aus PARNASS, Heft 2 /1996