Oswald Oberhuber


SERGIUS PAUSER - DER REALISMUS UND DIE WIRKLICHKEIT

Der Realismus ist nicht nur die Ausgangsbasis, sondern auch die jederzeit mögliche Motivation für die Klärung von Tatsachen und Verwirrungen. Aus der Überwindung der expressiven, aber auch der abstrakten, Ausdrucksweise entwickelte sich in den dreißiger Jahren eine realistische Sprache im Bild, die einmalig war in der Wiedergabe von naturalistischen Eindrücken, waren hier doch mehrere Komponenten notwendig, um die Aussagen durchzuführen. Einerseits herrschte hier eine verfahrene politische Situation, getragen vom dauernden Zweifel an einer sich erst findenden und gleichzeitig sich selbst wieder unterdrückenden Demokratie, und andererseits gab es das Verlangen nach Gewalt in der Politik, welches dem Bedürfnis nach Brutalem in der Kunst sehr entgegenkam.

Durch die Vorgänge im Bereich des Künstlerischen wurden laufend Gegenpositionen entwickelt, die eine sehr ungenaue und vor allem kämpferische Phase, die bis zu bitteren Feindschaften führte, mit sich brachte. Die Notwendigkeit dieses neuen Realismus entsprang vor allem aus dem sich ausgelebten Expressionismus. Was übrigblieb war das Erkennen und darstellerische Erfassen von Leid und Schmerz sowie der menschlichen Unsicherheit. Durch den Kubismus erhielt das Reale jene für die Plastizität und Einprägsamkeit so entscheidende Erweiterung. Dadurch wurde es möglich, fast durchsichtig klare Bildergebnisse zu schaffen, welche in einer fast renaissancehaften Weise eine nahezu klassische Offenheit beweisen.

In Österreich war der Realismus seit dem vorbildhaften Einstieg Waldmüllers eine wesentliche Aussagemöglichkeit für die Interpretation der Wirklichkeit. Sergius Pauser war ein Realist, der das Reale mit sanfter Behutsamkeit vollzog, obwohl es schwer war, in Österreich gegen den allmächtigen Expressionismus in Gegnerschaft zu treten. Dies gelang nicht den ungegenständlichen Malern, und die Realisten wurden so gerade noch geduldet. Das enge Denken war schon immer eine österreichische Spezialität.

Vom Expressionismus kommend überwand Pauser diese Episode schnell, um zu einer zarten, ja fast naiven Sachbezogenheit zu gelangen. Der Wiener Prater, Vorstadthäuser, das ist mehr als nur ein Hinweis auf Gegenwärtiges und Gegenständliches. Es ist eine Poesie auf das Alltägliche, die Sprache des Malers wird eingeschränkt, um nur das Wesentliche auszusagen. Diese Verdichtung ist eine bildbezogene. Jede Art von Erzählung wird ausgeschlossen, auch die Psychologisierung – eine im Realismus übliche Einbringung – hat keinen Platz. Dafür wird mit Sinnlichkeit und Empfindlichkeit die Farbwertigkeit zueinandergestellt und in körperliche Modulation gebracht. Ein Glanz und Schmelz entsteht. Weiche Zartheit und Emotion lösen sich ab und heben gleichzeitig die Besonderheit der Darstellungsweise Pausers hervor. Dieser Arbeitsprozeß bleibt ihm.

Die Gesellschaftskritik als Phänomen seiner Zeit beschäftigt Pauser nicht. Die klassische Distanz zum Vermittelten wahrt er. Nichts an seinen Bildern läßt die Nähe der politischen Katastrophen erahnen. Im Gegenteil, die Szenen vermitteln eine Unberührtheit seines eigenen scheinbar glücklichen Wesens.

Das Porträt hat im Realismus seine ehemalige Position in der Malerei wieder zurückgewonnen. Ein besonderer Stellenwert kommt ihm auch in Pausers Arbeit zu. In klarer Verständlichketi werden alle bekannten Persönlichkeiten von ihm ins Visier genommen und ihre eigentliche Existenz sichtbar gemacht. Hier öffnen sich breite Möglichkeiten von Aussagen und Erkennungsmöglichkeiten. Somit erfaßt Pauser stets die Zeit, aus einer Höhe, die die Kritik an ihr erst ermöglicht, denn nur in der Distanz ist die Objektivität vorhanden, eine Situation in ihrer Wirklichkeit zu erfassen.

Sergius Pauser ist innerhalb der österreichischen Kunst als ein bedeutender Vertreter des Realismus zu werten. Seine Arbeiten richtig zu beurteilen und zu erkennen wird noch notwendig sein.

                                                                                                                      Oswald Oberhuber 

 

 

Ausstellungskatalog Sergius Pauser, Retrospektive, FRAUENBAD, Baden bei Wien, 1986, Niederösterreich-Gesellschaft für Kunst und Kultur und in: Innviertler Künstlergilde, Jahrbuch 1986/87