Grundsätzliches über Sergius Pauser
... Ja, wenn er impressionistisch oder expressionistisch malte! Zerlegte, vereinfachte oder übertriebe! Wenn schon nicht ins Morgen hinein oder ins Gestern zurück, so wenigstens nach einem noch einigermaßen gängigen Ausdrucksmittel griffe, um mit den Radikalen sich´s nicht ganz zu verderben und den Konservativen ein Bißchen unverständlich zu bleiben! Aber: er hat sich in den Kopf gesetzt, zwischen Szylla und Charybdis hindurchzuschiffen, welches Unternehmen bekanntlich nur einen Augenblick lang möglich ist, eben jenen Augenblick lang, in dem der Mensch, ganz auf sich selbst gestellt, Experiment und Experimentator zugleich, entweder die persönlichste Niederlage erleidet oder den persönlichsten Sieg erringt. Man stirbt oder man überlebt aus nur eigenen Mitteln. Und das ist moralischer als jede Moral. Begreiflich sonach, daß Pausers Methode, das immer zufällige Zusammenfallen des Hier und des Jetzt in einem malbaren Ding als ein streng kausiertes erscheinen zu lassen – durch welches, die ratio befriedigende, Fälschen aus Natur Kunst wird – die nur seine ist, und daß, was nur einen Nu währt, auch in einem Nu bewältigt werden muß. Was soviel heißt, wie: daß die Skizze schon als Bild erscheint oder das Bild als Skizze; ohne also Skizze zu sein und für ein Bild nicht gelten zu können: der dem echten Kunstwerk eigentümliche Schwebezustand über dem Abgrunde der photographischen Ähnlichkeit und zwischen zwei Begriffen, deren keiner voll konkretiert werden darf. In Pausers Malereien weist der Eine auf den Andern hin, so deutlich, daß ihre Zwillingschaft außer Frage steht, aber auch so bedacht der möglichen Gefahr des Verwechseltwerdens, daß nur ihre Fingerspitzen einander berühren. Wer, zum Beispiel, in dem Portrait des Präsidenten Rizzi einen besonders glücklichen Schnappschuß zu sehen glaubt – und auf den ersten Blick wird´s wohl jeder glauben – braucht nur näher und noch näher zu treten, um fast nichts von dem vorzufinden, was nach Laien- und Schulmeistermeinung, zu Träger von Ähnlichkeitspartikeln sich eignet. Es ist eines der Atelierwunder, daß die Andeutung die Aussage ersetzt! Daß ein rosa Würmchen zu menschlicher Unterlippe wird, und diese zu einem Würmchen! ...
Pauser malt wahr. Nicht im Sinne des Naturalisten, der ob der Einmaligkeit des darzustellenden Gegenstandes von seiner ebenfalls einmaligen Handschrift keinen Gebrauch zu machen sich erlaubt, auch nicht in dem des Expressionisten, der die verschiedensten Gegenstände auf einen, angeblich einen ihnen allen gemeinsamen, Nenner bringt – so aus sich und der Welt einen Dezimalbruch bildend -, sondern im Sinne des Moralisten, der zwischen Objekt und Subjekt, die einander ja dauernd zu überwältigen trachten, eine Art Burgfrieden zu stiften sich bemüht. Viel deutlicher als aus den Portraits – weil ja der zu malende und der malende Mensch einander zu ähnlich sind, und das Ringen zwischen beinahe Gleich und Gleich nicht zu vermeiden und kaum zu verbergen ist, mutet dieses sittliche Bemühen aus den Landschaften an. Sie sind auf das jeder Umgebung, jedem sogenannten Milieu, gemäße Recht zurückgesetzt, vom Tisch weg auf ein Tischchen hingestellt, in den Hintergrund gedrängt, den, und nur den sie abzugeben haben. Sie erscheinen nicht als Ausscheidungen des malenden Subjekts, in welchen dieses, wenn auch in veränderter Form, in Gestalt des Verdauten, noch einmal da ist, und das heißt: sie werden nicht interpretiert, nicht zu einem unklaren Texte herabgewürdigt, der des Kommentators bedarf. Ob Paris, Stambul, Schanghai oder ein Kickeritzpatschen im Österreichischen - : die Orte bleiben, wo sie gesehen worden sind, haben kein Etwas ihres weiteren oder näheren Entferntseins vom Betrachter verloren. Wie sich´s gehört! Denn das Draußen soll nicht mit einer bemalten Tür ins Haus fallen!
Aus: „Forum“, Österreichische Monatsblätter für kulturelle Freiheit, IV. Jahr, Wien, April 1957, Heft 40 und in der Monographie: Rupert Feuchtmüller, SERGIUS PAUSER, Edition Tusch Wien, 1977